Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatienten

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Moderator: USS

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Dr. M. Magerl
Facharzt
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Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatienten

Beitrag von Dr. M. Magerl »

Antihistaminika sind für viele Patienten mit Urtikaria eine große Erleichterung. Sie sind gut verträglich und in vielen Fällen auch sehr gut wirksam. Bei einem Teil der Patienten aber helfen sie nur unzureichend, manchmal überhaupt nicht, auch wenn weit höhere Dosierungen verabreicht werden, als eigentlich zugelassen. Seit einigen Jahren hat sich bei solchen schwer betroffenen Patienten die Anwendung von Omalizumab, einem Asthmamedikament , als sehr wirksam erwiesen. Die Behandlung konnte allerdings nicht verschrieben werden, sondern erfolgte in Einzelfällen mit Ausnahmegenehmigungen oder im Rahmen von Klinischen Studien.
In diese Studien wurden annähernd 1.000 Patienten mit chronisch spontaner Urtikaria (csU) eingeschlossen, die nicht auf Antihistaminika ansprachen. Omalizumab führte zu einer signifikanten Verbesserung hinsichtlich der Symptome Juckreiz und Quaddelbildung, einschließlich einer raschen Linderung des Juckreizes. In zahlreichen Fällen wurde eine vollständige Symptomfreiheit erreicht. Auch die Lebensqualität war bei den mit Omalizumab behandelten Patienten deutlich verbessert. Dabei war Omalizumab gut verträglich.
Die Europäische Kommission hat nun die Zulassung erteilt für die Anwendung von Xolair® (Omalizumab) zur Behandlung der chronischen spontanen Urtikaria (csU) ab einem Alter von 12 Jahren, bei Patienten, die unzureichend auf die Behandlung mit Antihistaminika ansprechen.
Omalizumab ist ein Wirkstoff, das Immunoglobulin E (IgE) bindet. Omalizumab unterdrückt die durch Histamin induzierten Hautreaktionen, wahrscheinlich durch die Senkung der freien IgE-Konzentration und die dadurch bedingten Effekte auf die zellulären Aktivierungsmechanismen.
Petra_FFM
Beiträge: 32
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Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Petra_FFM »

Sehr geehrter Dr. Magerl,

ich bin seit dem 27. Dezember 2013 an einer chronischen Utikaria erkrankt und zwar mit täglichen Quaddeln (immer über 50) am ganzen Körper und auch Quicködemen im Gesicht. Bisher war ich drei mal in der Notaufnahme mit Luftnot. Mit Ihrer Erfahrung sind Ihnen die Auswirkungen auf die Lebensqualität bekannt, ich denke, dazu brauche ich nichts zu sagen, aber nur soviel, ich habe mich in diesen vier Monaten von einem lebenslustigen Menschen in ein Wrack verwandelt, besonders weil ich auf Grund diesem infernalen Juckreizes nicht mehr als zwei Stunden schlafe und seit Ausbruch nicht einen quaddelfreien Tag hatte. Kurz gesagt, ich bin fix und fertig. Ich bin jetzt seit Mitte März in der Uni Frankfurt in Behandlung. Fenestil/Citericin/Loratadin/Desloratatin/Telfast 180 mg je vier Stück am Tag, Montekulast und Stoßtherapie mit Prednisolon haben bisher keinerlei Erfolg gebracht, ebenso Ernährungsumstellung, Kartoffel-Reis-Diät und anderes. Bis auf eine Camphylobakerinfektion war die bisherige Diagnostik o. B.

Nun meine Frage:

Ich habe heute in der Uni nach Xolair gefragt und war erstaunt über die doch heftige Reaktion. Diese Therapiemöglichkeit würde nicht in Betracht gezogen, weil die Ursachenforschung bei mir noch nicht abgeschlossen sei, das konnte ich noch nachvollziehen und bin gerne bereit, weitere Untersuchungen zu machen. Obwohl es für mich als Patientin natürlich schwierig ist, nachzuvollziehen, was sich Neues ergeben sollte, denn so waren zum Beispiel alle Blutwerte o. B. aber am Montag soll ich nochmal Blut abgeben.

Die Ärztin hat mir erklärt, eine Utikaria sei schlimm, die Auswirkungen und der Leidensdruck sind bekannt, da müsse ich durch, sie kenne viele Patienten, die das schließlich viele viele Jahre durchstehen. Ihr sei bekannt, das Xolair im Moment aggressiv beworben wäre und in aller Munde, aber schließlich koste das Medikament um die 1.000 Euro im Moment. Und es wäre die absolut letzte Möglichkeit. Die Ärztin erschien richtig verärgert, dass ich danach gefragt habe. Das man mit einer Utikaria Geduld haben muss habe ich inzwischen gelernt, aber stimmt es, dass ich tatsächlich einen mehrjährigen Leidensweg vorweisen muss, um für Xolair in Frage zu kommen. Zumal auch noch mein Job durch die Erkrankung gefährdet ist. Das Xolair Nebenwirkungen haben kann, ist mir bekannt. Ich bekomme seit heute Urtimed und hoffe, das schlägt an, aber sollte das nicht der Fall sein, wie kann ich argumentieren, dass ich Xolair bekomme. Ich würde auch einen Termin in Mainz oder Berlin in der Utikariasprechstunde ausmachen, aber ich wäre natürlich froh, in der Uni Frankfurt weiterzukommen, denn in Mainz und Berlin einen Termin zu kriegen würde wieder Wochen dauern und die ganze Diagnostik würde von vorne beginnen. Ich möchte einfach mein Leben zurück. Können Sie mir einen Rat geben?

Mit freundlichen Grüßen

Petra_FFM
Dr. D. Terhorst
Beiträge: 9
Registriert: 03 Apr 2014, 10:54

Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Dr. D. Terhorst »

Hallo Petra_FFM,

Behandlungsziel ist die Heilung der Chronischen Urtikaria durch die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursache. So, sollte z.B. bei einer Infekturtikaria der Infekt beseitigt werden, bei einem positiven autologen Serumtest und der Diagnose einer Autoreaktiven Urtikaria sollte nach Hinweisen fuer das Vorliegen solcher Autoimmunerkrankungen gesucht und behandelt werden.
Ist ein solcher sog. kurativer Ansatz nicht moeglich oder nicht erforderlich, kommen symptomatische Behandlungsverfahren zum Einsatz (gesicherte und bewaehrte und experimentelle). Antihistaminika sowie - in schweren Faellen- immunsupprimierende Medikamente wie Kortisonpraeparate oder Ciclosporin A, Dapson usw. und Xolair.
Besprechen Sie doch noch einmal mit Ihrer behandelnden Ärztin die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten, es ist aber absolut verständlich, erst einmal die Ursachenforschung abzuwarten.

Beste Gruesse
D. Terhorst
Petra_FFM
Beiträge: 32
Registriert: 28 Apr 2014, 19:04
Wohnort: Frankfurt am Main

Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Petra_FFM »

Sehr geehrte Frau Dr. Terhorst,

erst mal vielen Dank für ihre Antwort, ich bin wirklich für jede Hilfe und Anregung dankbar. Die Situation ist sehr frustierend, weil jegliche Untersuchungen bisher ohne Befund waren. Infektionen wurden nicht festgestellt, Entzündungswerte etc. alles im grünen Bereich, außer Nachweis von Camphylobakter im Stuhl ist bei den ganzen Untersuchungen überhaupt nix rausgekommen, was aber laut Aussage der Uni problemlos ausheilt und als Auslöser eher nicht in Frage kommt. Alle (wiederholten) Blutwerte ohne Befund, pumperlgesund sozusagen. Auslösende Lebensmittel lassen sich nicht lokalisieren, ich habe drei Woche nur Reis, gekochte Kartoffeln, Reiswaffeln und schwarzen ungesüßten Tee getrunken und keierlei Besserung erreicht. Jetzt führe ich ein Tagebuch, aber ich kann beim besten Willen nicht erkenne, was Auslöser sein kann, weil ich jeden Tag in die Spalte Quaddeln und Juckreiz "Quaddeln über 50 und Juckreiz stark" eintrage, egal ob ich nur histaminarme Kost zur mir nehme oder nicht. Schmerzmittel wie Ibuprofen oder ähnliches habe ich vor Ausbruch seit Monaten nicht mehr genommen. Zähne sind in Ordnung, keine gynokologisschen Auffälligkeiten u. s. w. Diverse Antihistamine haben nicht angeschlagen und Kortison ebenfalls nicht. Ich frage mich natürlich, was soll/kann an Diagnostik noch ausgeschöpft werden?

Ich habe jetzt noch eine Hoffnung, ich habe mir ca. 8 Wochen vor Ausbruch der Urtikaria Metall aus dem Sprunggelenk entfernen lassen nach einer Weber C Fraktur (Fibulaplatte mit 8 Schrauben), meiner Meinung nach ist das auch gut gelaufen weil keinerlei Beschwerden (keine Entzündungszeichen wie Schwellung/Rötung/Wärme) und das Röntgenbild in der Nachsorge war auch ohne Befund, aber das wäre das letzte, was ich jetzt noch abklären könnte als mögliche auslösende Ursache.

Wenn Sie noch einen Tipp haben, wo man nochmal hingucken kann, gerne. Ich bin für jede Anregung dankbar und schätze sehr, was hier in diesem Forum geleistet wird. Obwohl ich es traurig finde, das diesem Forum leistet, was eigentlich die Ärzte vor Ort leisten müssten. Alles was ich über chronische Urtikaria weiß, habe ich zum größten Teil hier gelernt.

In der Uniklinik Frankfurt habe ich alle vier bis sechs Wochen einen Termin mit einem Zeitfenster von max. 15 Minuten in der ich die Gelegenheit habe mit einem Arzt zu sprechen, in dem die Befunde kurz abgehandelt werden "Haben nix gefunden" und weitere Medikation "Wir versuchen mal was Neues" besprochen wird. Aufklärung und Betreuung oder ähnliches habe ich da bisher nicht erfahren....Also nochmal Danke

Viele Grüße Petra
Petra_FFM
Beiträge: 32
Registriert: 28 Apr 2014, 19:04
Wohnort: Frankfurt am Main

Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Petra_FFM »

Sehr geehrter Herr Dr. Magerl,

ich habe jetzt im Rahmen der AWARE Novartis Studie 6 Monate Xolair bekommen und war total happy, denn das Medikament hat mir mein Leben zurück gegeben. Ich war zwar nie ganz quaddelfrei während der vier Wochen zwischen den Gaben, aber es war überhaupt kein Vergleich zu den vorherigen Ausbrüchen. Ich hatte vorher täglich Quaddeln immer über mind. 100, war total zugeschwollen und bist fast verrückt geworden wegen des infernalen Juckreizes und des Brennens der Haus. Zusätzlich leide ich an Angioödemen. Ich litt auch an Schwellungen, die in der Uni Frankfurt eigentlich niemand zur Kenntnis nehmen will, weil offensichtlich nicht in der Fachliteratur beschrieben. Bei mir passiert das was auf der Haut passiert auch im Körper. Mir schwellen die Schleimhäute in den Wangen an, die Zunge, in der Scheide, mir quillt sogar der Bauch auf. Mir wurde immer wieder gesagt, dass Atemnot wegen Schwellungen in der Lnnge oder im Hals normal seien, aber das andere eher untypisch. Das wars dann auch an Erklärung.

Jetzt wurde mir gesagt, Omalizumab (Xolair) wäre nur für 6 Monate zugelassen und ich müsste einen Auslassversuch machen, auch um zu sehen, wie sich die Urtikaria entwickelt hat. Das Xolair heilt ja nicht, sondern unterdrückt nur die Symptome. Das kann ich noch nachvollziehen, nichts würde ich mir mehr wünschen, als dass die Urtikaria inzwischen so verschwunden wäre, wie sie gekommen ist, nämlich ohne erkennbare oder feststellbare Ursache. Ich war selber gespannt, ob sich die Urtikaria inzwischen bisschen beruhigt hat. Mit paar Quaddeln könnte ich ja mittlerweile gut leben.

Dem ist leider nicht so. Ich hatte unter der Xolairgabe in der letzten Woche vor den Spritzen immer ansteigende Symptome, nun bin ich nach fünf Wochen wieder genau da, wo ich am Anfang war, nämlich total verzweifelt. Die Urtikaria ist mit voller Wucht wieder zurück gekehrt.

Stimmt es, das die Xolairgabe auf 6 Monate begrenzt ist? Ich konnte dazu in der Fachliteratur nichts finden. Ich glaube nicht, das sich als Laie z. B. bei der EMA oder so weiterkomme. Wo kann ich das nachlesen?

Ich habe nächste Woche Termin in der Uni zur Kontrolle und hoffe sehr, sie setzen es wieder an, denn sonst weiß ich ehrlich nicht wie es weitergehen soll.

Die Charite Berlin ist in der AWARE-Studie als Beteiligte aufgeführt, daher wende ich mich an Sie.

Vielen Dank

Petra
Dr. M. Magerl
Facharzt
Beiträge: 1436
Registriert: 16 Nov 2001, 00:00
Wohnort: Berlin

Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Dr. M. Magerl »

Hallo Petra,
in der Fachinformation finden sich folgende Angaben: "Dosierung: Die empfohlene Dosis beträgt 300 mg als subkutane Injektion alle vier Wochen. Verordnenden Ärzten wird geraten, die Notwendigkeit der Fortsetzung der Therapie in regelmäßigen Abständen neu zu überprüfen. Die Erfahrung aus klinischen Studien mit einer Langzeitbehandlung von mehr als 6 Monaten auf diesem Anwendungsgebiet ist begrenzt."

Auch wirin Berlin machen nach etwa 6-12 Monaten einen Auslassversuch, bzw. strecken die Abstände zwischen den Injektionen, u.a. um zu Überprüfen, ob die Urtikaria überhaupt noch da ist. Den Text aus der Fachinformation verstehe ich aber nicht so, dass die Anwendung prinzipiell auf 6 Monate begrenzt sei.

Mit besten Grüßen,
Magerl
Jule
Beiträge: 4
Registriert: 12 Dez 2013, 21:16

Re: Zulassung für Omalizumab: Hoffnung für Urtikariapatiente

Beitrag von Jule »

Hallo Herr Dr. Magerl,

ich hoffe ich darf mich mit meiner Frage hier "anhängen". Ich bekomme Xolair seit einem Jahr, allerdings in einer geringeren Dosis (150 mg), und der Erfolg war durchschlagend, obwohl ich mich gegenüber Cortison und Antihistaminika als therapieresistent erwiesen habe. Meine Diagnose ist chronisch rezidivierende Urticaria, Ursachenforschung ohne Ergebnis abgeschlossen. Ich war täglich mindestens 16 Stunden verquaddelt, am ganzen Körper inklusive Fußsohlen, Handinneflächen, Genitalbereich und hatte Schwellungen in Speiseröhre und HNO-Bereich.

Vor einem halben Jahr habe ich auf eigenen Wunsch versucht das Medikament auszuschleichen, was leider nicht funktioniert hat. Ich werde jetzt wieder einen erneuten Versuch unternehmen.

Und jetzt zu meiner Frage: seit 3 Monaten spreche ich die (leider permanent wechselnden Ärzte) in der hiesigen Uniklinik darauf an, doch mal bitte eine Blutbildkontrolle zu machen bzw. meine Werte generell zu überprüfen. Dies wurde bislang immer abgelehnt, auch mit Hinweis auf die Fachinformation, daß die im mir bekannten Beipackzettel angegebenen möglichen Blutbildveränderungen ja nur bei Primaten nachgewiesen worden seien. Mir ist bekannt, daß das Medikament in der Asthmatherapie schon lange zugelassen ist, aber eine Urticaria ist dann doch etwas anderes.
Ist es wirklich üblich, dieses Medikament ohne weitere Kontrolle zu verabreichen? Gerade weil, wie Sie schreiben, die Erfahrungen auf diesem Anwendungsgebiet begrenzt sind.

Über ein feedback wrde ich mich freuen.


Liebe Petra,
natürlich macht es Sinn, auszuschleichen um zu schauen, ob es nicht auch anders geht. Bei mir hat man mit der Hälfte der empfohlenen Dosis angefangen und es hat gereicht. Ich hab da nicht wirklich dran geglaubt - 100 Quadeln hatte ich locker auf einem Bein. Damals hätte ich glaub ich jedem den Fragbogen um die Ohren gehauen wenn die höchste Option 100 gewesen wäre.

Laß dich nicht abwimmeln! Wenn es das einzige ist was hilft wirst du es bekommen.

LG Jule
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