Anstrengungsinduzierte Urtikaria in Kombination m. Allergie?

[Johannes92]

Sehr geehrtes Ärtzeteam, liebe Leidensgenossen & Genossinnen,

vorneweg möchte ich mich bedanken, für die Möglichkeit des Austausches zw. Betroffenen und der profisionellen Betreuung des UNEV-Ärzteteams Verfolge dieses Forum seit kurzer Zeit und da mein letzter Hautarztbesuch der totale Reinfall war, möchte ich hier mein Anliegen schildern.

Und zwar leide ich seit etwa 5 Jahren an einer sehr unregelmäßigen Urtikariaform - innerhalb von 5 Jahren hatte ich "nur" 5 Nesselsucht-Fälle, die ausschließlich nach körperlicher Anstrengung (+ evt. Stress) in Kombination mit einem bestimmten Lebensmittel auftritt (das ist zumindest meine Vermutung). Nach meinen Recherchen könnte ich unter einer weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie leiden - demzufolge vertrage ich Weizenprodukte (bzw. eigentlich alle Lebensmittel) problemlos und auch körperliche Anstrengung per se löst bei mir keinen Quaddelschub aus. Kombiniere ich allerdings körperl. Anstrengung mit einen bestimmten Lebensmittel, so kommt es zu dem Ausschlag (kompletter Torso bis zum Genitalbereich, Arme, Hals, Stirn sind betroffen, zudem auch noch geschwollene Oberlippe).

Meine Fragen wären deshalb:

1) Kommt es bei einem WDEIA (wheat dependent exercise induced anaphylaxis bzw. weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie) in jedem Fall zu einer allergischen Reaktion? Oder besteht auch die Möglichkeit, dass man Weizenprodukte verzehrt und sich anschließlich körperlich betätigt, aber keine Reaktion darauf folgt?

2) Möchte mich baldmöglichst mit folgenden Tests durchchecken lassen:

- Bluttest (auf das Omega-5 Gliadin)
- Pricktest
- Schilddrüsenfunktion (Fehlfunktion kann auch Nesselsucht nach sich ziehen)
- Stuhlprobe/Atemtest auf den Helicobakter pylori

welche Tests sind bei meinem bisherigen Urtikariaverlauf sinnvoll? (ich nehme mal an, dass man bei den unregelmäßigen Quaddelschüben in meinem Fall von akuter Urtikaria spricht?) Welche Tests lassen sich von vornherein ausschließen?)

3) Mein bisheriger Hautarzt hat sich leider sehr unkooperativ gezeigt, was die kausale Behandlung meiner Nesselsucht angeht (Zitat):"In Ihrem Fall wäre der Aufwand viel zu groß"
Doch mich macht die Urtikaria vor allem psychisch fertig, da ich sie immer dann bekommen habe, wenn Schulkameraden/Arbeitskollegen anwesend waren. Ich habe immer dieses Gefühl, dass es jederzeit passieren könnte. Und es könnte sich auch zu einer chronischen Nesselsucht entwickeln, da die Zeitabstände zwischen den Schüben immer kürzer werden. Daher habe ich doch ein Recht auf Ursachenforschung, auch wenn diese zu keinem Ergebnis führen sollte, oder sehe ich das falsch? Kann man sich dieses Recht evt. auch anwältlich "erstreiten"?


Es wäre mir eine große Hilfe, wenn jemand auf meine Fragen antworten könnte!


Grüße aus dem Sauerland,

Johannes

[EllenKristin]

Hallo Johannes,

wenn du den Verdacht auf weizenabhängige, anstrengungsinduzierte Anaphylaxie hast, dann macht ein Allergietest gegen Weizenmehl und Gliadin (Bluttests) sicherlich Sinn. Da du mit deinem Hautarzt nicht zufrieden bist, würde ich mir an deiner Stelle von Freunden oder Bekannten einen Hautarzt in deiner Nähe empfehlen lassen, der sich auch mit Allergien auskennt (Allergologe).

Wenn bei den normalen Allergietests auf Lebensmittel nichts gefunden wird, besteht die Möglichkeit eines Provokationstests im Krankenhaus (Hautkliniken). Das Problem hierbei ist, dass man oft nicht weiß, wonach man suchen soll, wenn man keine Vermutung hat.
Deswegen könntest du ein Urtikaria-Tagebuch führen, in dem du dir genau notierst, was du am entsprechenden Tag (und evtl. am Vortag) gegessen, getrunken und gemacht hast (Anstrengung, Stress). So kannst du am ehesten einen Zusammenhang herausfinden.

Ich habe auch seit Jahren eine Form der anstrengungsinduzierten Urtikaria/Anaphylaxie. Sie tritt ca. 3 bis 6 mal im Jahr auf. Durch das Führen des Tagebuchs habe ich schon einige Auslöser (Konservierungsstoffe, Obstsorten, Medikamente) gefunden und meide sie.
Da ich schon einmal beim Sport eine Anaphylaxie hatte, führe ich Medikamente mit mir. (Cetirizin, Cortison flüssig, und Adrenalin). Sprich doch mal mit deinem Arzt darüber, ob das für dich auch Sinn machen würde. Wenigstens ein Antihistamin in Flüssigform (freiverkäuflich), das kannst du dann sofort nehmen, wenn du merkst, dass die Quaddeln kommen. Es beruhigt auch etwas, wenn man was in der Tasche hat. Und dann wird es vielleicht garnicht erst so schlimm.

Da du die Nesselsucht schon mehrere Jahre hast, nennt man das auch schon chronisch, auch wenn sie nicht so häufig auftritt.

Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen und dass du auf deine anderen Fragen noch Antworten bekommst.

Ellen

[Johannes92]

Hallo Ellen,

vielen Dank für deine hilfreichen Informationen

Habe heute einen Termin bei einem anderen Hautarzt und werde ihn auf den Bluttest ansprechen - mein Verdacht hat sich in letzter Zeit erhärtet. Gestern eine Pizza Salami gegessen und heute morgen traten dann die ersten Quaddeln im Brustbereich auf. Zum Glück hat es sich nicht weiter verschlimmert, sodass ich kein Antihistaminika einnehmen musste.

Achja, kannst du mir ein flüssiges Antihistamin empfehlen? Wirkt das dann schneller als in Tablettenform? Denn die Tabletten kann man ja auch nur präventiv anwenden, denn sie brauchen auch ihre Zeit, bevor die Wirkung eintritt. Und in dieser Zeit bildet sich meine Urtikaria in den meisten Fällen "von alleine" zurück.

Grüße

Johannes

[EllenKristin]

Hallo Johannes,

als flüssiges Antiallergikum nehme ich Cetirizin Lösung - 1 A Pharma. Gibt es als 10 ml und 20 ml -Flasche.
Ich nehme dann meist die doppelte Tagesdosis (40 Tropfen). Wenns ganz schlimm ist, darf ich 5-10 ml nehmen. Dann muss ich aber in ärztliche Behandlung.
Wenn man größere Dosen nehmen soll, dann empfiehlt es sich die Kunststoffkappe abzumachen und man braucht eine Dosierhilfe oder einen kleinen Kunststofflöffel. Da es sehr ekelig schmeckt, habe ich immer ein bischen Wasser dabei (zum Runterspülen). Aber ich habe ja wegen meines Notfallsets immer einen kleinen Rucksack dabei und da passt eine kleine Wasserflasche mit rein.
Ich finde, dass das Cetirizin in Flüssigform sehr schnell wirkt.
Die Dosierung solltest du aber mit deinem Arzt absprechen, wegen der Nebenwirkungen.

Ellen

[Johannes92]

Hey Ellen,

habe mir die Cetirizin Lösung mal direkt geordert - hast in der Hinsicht schon Recht, dass es einem zumindest mental etwas hilft, wenn man ein schnell wirkendes Antiallergikum dabei hat.

Mein letzter Arztbesuch ist leider etwas enttäuschend verlaufen - auf den Prick-Test habe ich keinerlei Reaktion gezeigt und der Bluttest wird erst in 2 Wochen ausgewertet. Habe den Arzt darauf hingewiesen, dass man das Blut auch auf besagtes Omega-5 Gliadin untersuchen sollte. Er habe davon nichts gehört und wird es deshalb nur auf eine Glutenunverträglichkeit untersuchen lassen - na toll, da bin ich mir jetzt schon zu 99% sicher, dass nichts bei rauskommt

Insgesamt gesehen finde ich es sowieso enttäuschend, wie wenig sich die Ärzte mit den verschiedenen Nesselsucht-Formen auskennen. Meistens wird man da nur mit Cetirizin "abgespeist" - aber bei der Ursachenforschung will mir scheinbar niemand helfen.

Habe hier im Forum mehr hilfreiche Informationen erhalten, als bei meinen Arztbesuchen!

[Dr. M. Magerl]

Hallo Johannes92,

ich sehe Ellen Kristin hat Ihnen schon geantwortet und zwar ausgesprochen kenntnisreich. In der Tat sind die von Ihnen beschriebenen Beschwerden vereinbar mit dem Verdacht einer weizenabhängigen, anstrengungsinduzierten Anaphylaxie. Man erklärt sich heutzutage das Auftreten dieser Erkrankung mit einer relativ niedrig- schwelligen Allergie gegen Omega-5 Gliadin, das unter normalen Bedingungen (ohne Anstrengungen) gar nicht in ausreichender Menge vom Darm in den Körper überträte um allergische Beschwerden zu verursachen. Wenn aber Triggerfaktoren wie Anstrengung (aber auch zusätzlich psychische Belastung, Alkohol und Aspirin u.a.) dazukommen, verändert sich die Durchblutung und die Durchlässigkeit des Magens und des Dünndarms, größere Mengen des Allergens kommen in den Körper und es kommt zu allergischen Reaktionen, die sich manchmal auch mit der Ausbildung von Quaddeln manifestiert. Zu Ihrer ersten Frage kann man also sagen: Ja, es ist möglich Weizenprodukte zu sich zu nehmen. Wenn keine weiteren Triggerfaktoren dazukommen, werden sie von den meisten Patienten gut vertragen. Zu Frage 2: Die entsprechenden Tests sind also ein Blutest auf das Omega-5 Gliadin und in der Regel wird ein Pricktest der Weizenreihe durchgeführt. Die Stuhlprobe auf den helicobacter pylori ist in diesem Fall durchaus sinnvoll, um entzündliche Veränderungen der Magenschleimhaut gegebenenfalls zu bekämpfen. Die Testung der Schilddrüsenfunktion ist in diesem Fall nicht zwingend notwendig. Sollte sich der Verdacht einer weizenabhängigen, anstrengungsinduzierten Anaphylaxie bestätigen, kann eine Provokationstestung vorgenommen werden, um die Diagnose zu bestätigen und den Einfluss verschiedener Triggerfaktoren zu testen. Weitere Untersuchungen sind vom jetzigen Standpunkt aus erstmal nicht sinnvoll. Sollte sich keine weizenabhängige, anstrengungsinduzierten Anaphylaxie bestätigen lassen und der Verdacht eher in eine Chronische Urtikaria gehen, finden Sie auf unseren Seiten unter Formen der Urtikaria/Chronische Urtikaria/Untersuchungen entsprechende Informationen über sinnvolle diagnostische Tests. Der Aufwand einer kompletten Durchuntersuchung bei einer Chronischen Spontanen Urtikaria ist in der Tat relativ hoch und im ganzen Umfang von einem niedergelassenen Hautarzt, nur unter größeren Anstrengungen zu bewerkstelligen. Daher werden solche aufwändigen diagnostischen Vorgehen in aller Regel von einer Klinik durchgeführt. Sie haben das Recht auf eine bestmögliche klinische Versorgung und bestmöglich ist nicht gleichbedeutend mit „auf alles was möglich ist“. Manchmal kann etwas weniger auch mehr sein. Ich würde zur Erreichung Ihres Ziels von einer anwaltlichen Begleitung absehen, gegebenenfalls den Hautarzt wechseln und den weiteren Verlauf der Diagnostik im freundlichen Einvernehmen mit Ihrem Arzt vorantreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Magerl

[Johannes92]

Hallo Herr Dr. Magerl,

vielen Dank für Ihre ausführliche Beantwortung meiner Fragen! Sie haben mir einige Anhaltspunkte gegeben, auf die ich meinen (neuen) Hautarzt ansprechen werde

Ich hätte allerdings noch eine Frage - und zwar wurde bei mir mittels einer Blutprobe bereits die Verträglichkeit verschiedener Substanzen überprüft, unter anderem Gluten - dieser Labortest fiel allerdings komplett negativ aus, weshalb ich mich nun frage, ob man bei nicht vorhandener Glutenallergie trotzdem positiv auf Omega-5 Gliadin getestet werden kann.

Habe mittlerweile auch eingesehen, dass eine Konfrontation mit dem Arzt wenig bringt und ein Wechsel sinnvoller ist!

Wäre super, wenn Sie kurz darauf antworten könnten!


Johannes