Kälteurtikaria seit 20 Jahren

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Moderator: USS

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leomeier
Beiträge: 8
Registriert: 29 Mai 2007, 20:38

Kälteurtikaria seit 20 Jahren

Beitrag von leomeier »

Vielleich kann ich jemandem helfen - vielleicht kann mir jemand helfen !?!

Ich bin mittlerweile 46 Jahre alt, männlich, leide seit 20 Jahren an der Urtikaria - bis letztes Jahr ohne eine Ursache zu finden. Es wird derzeit jährlich schlimmer.
Ich hatte einen bewegten Lebenslauf:
Am 6. Januar 1984 (kälteste Nacht Deutschlands bei -36°) hatte ich eine Autopanne und war bis zu meiner Bergung mehr als zwei Stunden da draußen und hatte anschließend mehrere Tage kein Gefühl für Kalt oder Warm - evtl. war das der Beginn meiner Leidensgeschichte.

Irgendwann so 1990 hatte ich ärztlicherweise nachgewiesen heftigste Quaddeln. Nach erfolgloser Ursachenforschung entschied sich mein Hausarzt nach Rücksprache mit einem Spezialisten der Uniklinik Erlangen eine Spritzenkur mit zwei verschiedenen Medikamenten im Wechsel, die es heute beide nicht mehr gibt.
Anschließend hatte ich 5 bis 6 Jahre vollständig Frieden - Allergie vergessen. Seit 1998 kam es vereinzelt ganz schwach und wird derzeit jedes Jahr wieder schlimmer.

Ich war 17 Jahre Geschäftsführer einer GmbH mit viel Arbeit und Stress - einigen Gehörstürzen und 2007 dann einem Burn-Out. Letztes Jahr hatte ich dann eine Lungenembolie ohne erklärbare Ursachen, habe die Konsequenzen gezogen und arbeite jetzt "nur noch" als Freiberufler.
Mittlerweile soll ich vermeintlich vollständig wiederhergestellt sein (Lungenvolumen, Leistung). Damals kam ein Arzt zufällig auf das Thema Kälteallergie, hat getestet und BINGO......Volltreffer. Allerdings habe ich nur einen IGE von 150, was bedeutet, daß ich ein schwacher Allergiker bin. Aber allein letzten Winter konnte ich die Allergieschübe durch konsequenten Kältschutz um ca. 80% reduzieren. Medikamente nehme ich nach wie vor nur ein, wenn die Schwellungen wieder heftig werden.
Dieses Jahr ist der Winter noch gar nicht richtig angegangen und ich kratze jetzt schon, bzw. hatte schon zweimal innerhalb der letzten 3 Wochen Gesichtsschwellungen. Marcomar
Ich würde fast alles tun, um diese Krankheit loszuwerden oder zu helfen, Gegenmittel zu finden.
Bisher half mir als Abhilfe die Telfast 180 - aber soll man das dann täglich von Oktober bis März nehmen? Dann bin ich sicher beschwerdefrei.
Die Empfindlichkeit für Kälte ist seit ein paar Wochen vehement gestiegen. Warum?
Mittlerweile reagiere ich schon bei Raumtemperaturen von ca. 21 Grad.
Was mir wieder ein paar Tage hilft ist ein Saunagang, nach dem ich eigentlich kaum mehr auf Kälte reagiere.

Jetzt hat es noch Plusgrade .... was kommt dann, wenn es wirklich kalt wird?
Wie schlimm wird das noch .... wenn sich die Beschwerden weiter so steigern?
Wie geht das weiter? Diese ewig immerkehrende Juckerei geht schon an die Substanz.

Vielleicht kann mir jemand Antworten auf meine Fragen geben - oder vielleicht habe ich jemanden einen guten Tip gegeben.
Sollte Interesse an den Medikamentennamen bestehen, die es nicht mehr gibt, kann ich gerne meinen Hausarzt nochmals anfragen.

Derzeit läuft ja eine Studie zur Kälteurtikaria, bei der ich mich vor 4 Wochen beworben habe, aber ohne Rückmeldung.

Viele Grüße
Leo Meier
Dr. M. Magerl
Facharzt
Beiträge: 1436
Registriert: 16 Nov 2001, 00:00
Wohnort: Berlin

Re: Kälteurtikaria seit 20 Jahren

Beitrag von Dr. M. Magerl »

Sehr geehrter Herr Meier,
bitte geben Sie mir nochmal durch, unter welcher Adresse Sie sich für die Kälteurtikaria beworben haben, ich leite das nochmal weiter.
Sie beschreiben recht eindrücklich die Probleme einer ausgeprägten Kälteurtikaria. Leider weiss man heute noch kaum etwas über die zugrundeliegenden krankmachenden Mechanismen der Kälteurtikaria. Dementsprechend wenig heilende Therapieansätze gibt es bis heute. Bislang gilt allein die Antibiotikakur (Doxycyclin oder Penicillin) über 3 Wochen als mögliche kausale Therapie, die in einigen Fälle3n gut anschlägt. Früher wurde gerne Histadestal mit einigem Erfolg gegeben, leider gibt es das Medikament nicht mehr.
Aktuell werden vor allem Antihistaminika (AH) gegeben, und das meist mit gutem Erfolg. Es hört sich doch schon gar nicht ganz schlecht an, wenn sie schreiben: "Bisher half mir als Abhilfe die Telfast 180 - aber soll man das dann täglich von Oktober bis März nehmen? Dann bin ich sicher beschwerdefrei". Die Antwort lautet: JA. Telfast oder andere moderne AH haben ein sehr günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Bei den meisten Menschen haben AH keine Nebenwirkungen, selten einmal können sie müde machen. Ernstere nebenwirkungen sind die absolute Ausnahme, auch bei einer erhöhten Dosierung. Nur für den Fall dass AH nicht helfen sollten, könnte man Omalizumab in Betracht ziehen (http://urtikaria.net/index.php?id=1382). Da können Sie sich aber schon einmal auf einen Kampf mit Ihrer Krankenkasse einstellen.
Beim lesen hatte ich den Eindruck, dass der Juckreiz nicht immer streng kälteabhängig ist. Möglicherweise liegt da noch eine andere Ursache (trockene Haut, oft im Winter!) vor.
Mit besten Grüßen,
Magerl
leomeier
Beiträge: 8
Registriert: 29 Mai 2007, 20:38

Re: Kälteurtikaria seit 20 Jahren

Beitrag von leomeier »

Hallo Hr. Dr. Magerl
An der Studie werde ich nicht teilnehmen, da meine längere Anwesenheit in Berlin (500km entfernt) erforderlich wäre, was ich mir aus beruflichen Gründen nicht leisten kann. Aber danke für die Unterlagen. Da stehen ein paar interessante Sachen drin ... z. B. über Peritol....dem einzigen für Kälteurtikaria zugelassenen Medikament.

Tatsächlich ist es so, daß es bis vor ein paar Wochen/Monaten so war, daß ich nur vereinzelt auf Kälte reagiert habe (z. B. mehr als 1h spazierengehen, schneeräumen, Waldarbeit...)
Damit dachte ich, in Zukunft einfach leben zu können durch erhöhte Sensibilisierung. Letzten Winter hat das auch ganz gut geklappt, so daß ich immer dann, wenn der Juckreiz oder Schwellungen massiv wurde ich dann reagierte. Ich kam tatsächlich mit einer 20er Packung Telfast 180 über den ganzen Winter. Mein eigentliches Wohlbefinden lag jedenfalls bei relativ niedrigen Raumtemperaturen.
Das hat sich seit geraumer Zeit drastisch geändert. Unter 21Grad friert es mich mittlerweile, obwohl ich mich dann nicht mehr wohlfühle ist der Juckreiz erst über 22 Grad Raumtemperatur weg.
Was ist denn jetzt anders habe ich mich gefragt:
- von August 2009 bis Sept 2010 hatte ich ständige Marcomar-Einnahme nach meiner Lungenembolie - das ist jetzt weg - Langzeitfolgen???? - glaube ich nicht
- seit der berufliche Stress um 70% weniger ist, habe ich dauerhaft ca. 4-5kg abgenommen auf jetzt ca 89kg bei 189cm
- seit der Reha September 2009 nehme ich ständig blutdrucksenkende Medikamente (derzeit Votum 10mg Täglich) und das ist eigentlich zuviel, da ich zeitweise auf unter 110/60 komme - subjektiv zum Umfallen .... und dann ist es mir auch eher kalt. Nehme ich keine Medikamente bin ich nach ein paar Tagen wieder bei 150/100 aber mir geht es subjektiv besser

Ich denke wirklich darüber nach, ob ich die Votum (einziges regelmäßiges Medikament) nicht total absetze zugunsten meiner Urtikaria......
....oder vielleicht sinkt derzeit nur die Hemmschwelle der Reaktion....so wie ich den Arzt verstanden habe wäre das über den IGE-Wert messbar. Na ja, wenn meine Lebenserwartung mit höherem Blutdruck sinkt, brauche ich mich dann ein paar Jahre weniger kratzen.....ist doch auch ein guter Ansatz. Dass es mit steigendem Alter besser wird glaube ich nicht mehr - ganz im Gegenteil.

Ach übrigens - die bisherige 100%ige Wirksamkeit von Telfast ist mittlerweile nicht mehr da. Die Schwellungen gehen langsamer zurück, der Juckreiz kommt deutlich schneller wieder als noch letztes Jahr.
Ich beschäftige mich geistig schon mal, in den nächsten Jahren in den Süden (Spanien, Italtien...) auszuwandern und dort zu leben und zu arbeiten, falls die Steigerung meiner Allergie weiterhin mit so rasanten Schritten von sich geht.
Parallel dazu experimentiere ich selbst einfach weiter, da diese Krankheit ja derzeit nicht heilbar ist. Meine Ansätze mit Sauna sind auf jeden Fall vielversprechend. Nach einem ausgiebigen Saunabesuch habe ich zwei bis drei Tage überhaupt keine Probleme.
Vielleicht verschlimmere ich ja da ganze nur.....ich weiss es nicht.

P.S. Dreht sich im ganzen Leben denn wirklich alles nur ums Geld, da man Medikamente wie Histdestal einfach verschinden lässt? Sorry, das war eine rhetorische Frage. Als ehemaliger Unternehmer kenne ich die Antwort. Welche Krankenkasse zahlt schon, wie damals vor 20 Jahren, für 5 Ampullen 1200 DM.

MfG

Leo Meier
http://www.lmsystems.de
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